Albrecht der Beherzte
|
geb. 31. Juli 1443 in Grimma - gest. 12. September 1500 in Emden
Stammvater der albertinischen Wettiner, Prinzenraub von Altenburg 1455 und die Leipziger Teilung 1485 - das sind die Eckpunkte der Biographie Herzog Albrechts des Beherzten von Sachsen, des jüngeren Sohns Kurfürst Friedrich II. des Sanftmütigen. Im Ergebnis der der Leipziger Teilung 1485 wurde sein älterer Bruder Ernst (1441-1486), Stammvater der ernestinischen Wettiner, Kurfürst. Ernst blieb als erster regierender Fürst des Hauses Wettin ohne Beinamen, denn sowohl den Zeitgenossen als auch den "Historikern" und Biographen fiel es schwer, ihn in irgendeiner Weise näher zu beschreiben. Albrecht hingegen erhielt von der Geschichte den Beinamen Animosus (der Beherzte), was auch so viel wie der Mutige, der Leidenschaftliche bedeutete. Sicherlich erfolgte diese Charakterisierung auf Grund seines Engagements für Kaiser und Reich, welches er sein Leben lang mit hohem persönlichen und finanziellen Einsatz zeigte.
Als der in Meißen auf die Welt gekommene Bruder Ernst bereits zwei Jahre alt war, wurde Albrecht am 31. Juli 1443 in Grimma geboren. Das erste spektakuläre Ereignis um die Brüder erlebte Altenburg im Jahre 1455, als in der Nacht vom 7. zum 8. Juli der sächsische Ritter Kunz von Kauf(f)ungen die beiden Brüder auf einer Reise der kurfürstlichen Familie durch deren Herrschaftsgebiet aus dem Schloß Altenburg entführte (Prinzenraub von Altenburg).
Der Hintergrund für diese Tat lag inzwischen schon einige Jahre zurück: In den Jahren 1446 bis 1451 überzog der sächsische Bruderkrieg zwischen Kurfürst Friedrich II. und seinem Bruder Herzog Wilhelm das Land. Beide hatten 1445 eine Teilung des Herrschaftsgebietes be-schlossen (Altenburger Teilung), nach der Friedrich das Kurland, die Mark Meißen, Altenburg und Zwickau erhielt, während an Wilhelm die thüringischen und fränkischen Gebiete gingen und die Bergwerke gemeinsamer Besitz blieben. Nach der Teilung kam es jedoch zu Unstimmigkeiten, die militärisch ausgetragen wurden und zu einer sinnlosen Verheerung des Landes führten.
Besagter Ritter Kunz von Kau(f)ungen kämpfte auf Seiten des Kurfürsten und hatte dadurch erhebliche materielle Verluste, für die er seiner Meinung nach vom Kurfürsten nicht ausreichend entschädigt wurde. Nach einer vergeblichen Klage vor dem sächsischen Hofgericht griff Kauf(f)ungen zur Selbsthilfe und versuchte, gemeinsam mit einigen Standesgenossen durch die Entführung der Prinzen seine Forderungen zu erzwingen. Ernst und Albrecht sollten nach Böhmen gebracht werden, aber bereits im Wald von Grünhain beendete das Eingreifen eines Köhlers das Unternehmen, der Entführer wurde gestellt und die beiden kamen wohlbehalten nach Altenburg zurück. Kunz wurde am 14. Juli aufgrund eines kurfürstlichen Machtspruches, ohne ordentliches Gerichtsverfahren, in Freiberg enthauptet. So bekamen die Söhne die Auswirkungen der väterlichen Politik zu spüren und eines der volkstümlichsten Ereignisse der sächsischen Geschichte war geschehen. Vielleicht veranlaßten auch diese Jugenderlebnisse Albrecht, sich 30 Jahre später vehement gegen die von Bruder Ernst angeregte Teilung auszusprechen.
Das nächste Mal trat der inzwischen 16jährige Albrecht anläßlich seiner Hochzeit im Jahre 1459 öffentlich in Erscheinung. Die Braut war Prinzessin Sidonie (Zdenka, 1449-1510), Tochter des böhmischen Königs Georg Podiebrad. Die Hochzeit wurde in Eger prächtig gefeiert und als glückliches Ereignis beschrieben. Am Martinstag (11. November) 1459 wurde zwar geheiratet, aber aufgrund des Alters der Braut (10 Jahre!) wurde die Ehe erst am 11. Mai 1464 mit dem "Beilager" vollzogen, was den eigentlichen Beginn der Verbindung bedeutete. Wie zu der Zeit üblich, wurde auch diese Ehe aus politischen Erwägungen heraus geschlossen, denn sie bedeutete eine gute Verbindung zu den östlichen Nachbarn. Albrecht und seine Frau richteten sich in gemeinsamer Hofhaltung mit Bruder Ernst und dessen Frau Elisabeth im Dresdner Schloß ein. Außergewöhnlich war, daß diese "Wohngemeinschaft" nahezu zwanzig Jahre in brüderlicher Einmütigkeit bestand. Von Dresden aus regierten sie seit dem Tod des Vaters 1464 das Land gemeinsam und wurden von ihrem Onkel mütterlicherseits, Kaiser Friedrich III., auch beide mit dem väterlichen Erbe belehnt.
Die Regierung hatten zwar beide Brüder inne, aber Ernst war der Kurfürst und seine Entscheidungen wogen schwerer. Außerdem widmete er sich seinen Aufgaben als Landesherr mit Eifer und Geschick, so daß Albrecht vielleicht weder die Notwendigkeit noch eine Möglich-keit sah, in die Landespolitik einzugreifen und sich so vor allem der Reichsidee und dem Kai-ser verschrieb. Als "des Reiches gewaltiger Marschall und Bannermeister" zog er 1474/75 im Reichsheer unter der Führung von Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg nach Neuss an den Niederrhein, um den Herzog von Burgund an der westlichen Reichsgrenze wieder auf sein Gebiet zurückzudrängen, wobei er mehrere tausend Sachsen in das Reichsheer einbrachte.
Als 1483 der ungarische König Matthias wegen seines Drängens gegen Osten des Reiches immer mehr in Widerspruch zu Kaiser Friedrich III. geriet, war es dessen Neffe Albrecht, der ihm zuerst Truppen zu Hilfe schickte. Der Reichstag zu Nürnberg 1487 beschloß schließlich einen Reichskrieg gegen den Ungarn, der unter Herzog Albrechts Leitung geführt werden sollte. Trotz schwächerer Truppen erreichte Albrecht durch geschickte Abwehr, daß König Matthias nicht weiter in habsburgische Gebiete vorrücken konnte und mit ihm noch vor Ablauf des Jahres einen Waffenstillstand schloß. Die Dankbarkeit seines kaiserlichen Dienstherren hielt sich allerdings in Grenzen, denn er konnte Albrecht nicht einmal die aus sächsischen Mitteln aufgewendeten 52.000 Gulden zurückerstatten.
Trotz der Enttäuschung übernahm er sogleich die nächste Aufgabe für das Haus Habsburg. Der Sohn des Kaisers, Albrechts Cousin Maximilian (1486 zum deutschen König gewählt), wollte für seinen Sohn Philipp das von seiner verstorbenen Frau eingebrachte reiche Erbe Burgund sichern, was von den politischen Kräften der Niederlande hintertrieben wurde. Deshalb übernahm Albrecht in Abwesenheit Maximilians von 1488 bis 1493 die Statthalterschaft über die Niederlande und ab 1490 die Aufsicht für den kleinen Philipp als Unterpfand der habsburgischen Herrschaft in den Niederlanden. Während seiner Statthalterschaft siedelte der Herzog mit seiner Frau und einigen der inzwischen acht Kinder in die Niederlande über.
Als 1493 der inzwischen zum Kaiser avancierte Maximilian in die Niederlande kam, übergab ihm Albrecht ein befriedetes Land. Albrecht behandelte niedergeworfene Aufständische nach-sichtig und mild und stellte so ein politisches Gleichgewicht her, das die Habsburger Herrschaft in den Niederlanden sicherte. Während seiner Statthalterschaftsvertretung wandte Albrecht fast 280.000 Gulden aus eigenen Mitteln auf, die der Kaiser zwar ausdrücklich anerkannte, aber Albrecht außer hohem Ansehen im Reich und dem Orden des goldenen Vlieses zunächst keinen Gegenwert anbot. 1498 schließlich machte der Kaiser ihn als Ausgleich für all seine inzwischen angelaufenen finanziellen Forderungen zum "ewigen Gubernator" von Westfriesland. Auch dies war zunächst nur ein formaler Akt, denn Albrecht war bis Ende 1499 damit beschäftigt, das widerspenstige Westfriesland für sich zu gewinnen und zu befrieden, um überhaupt von einem Gebietsgewinn sprechen zu können.
Albrecht mußte eine sehr hohe Vorstellung von der Würde des Reiches und des Kaisers gehabt haben, denn in einer Zeit, in der jeder Fürst die Stärkung des eigenen Territoriums im Sinn hatte und auch der Kaiser zuerst an seine Hausmacht und dann an das Reich dachte, stellte er sich ganz in den Dienst von Kaiser und Reich, während sein Bruder Ernst als Landesherr die Angelegenheiten in Sachsen regelte. Die Situation änderte sich jedoch grundlegend nach der Teilung des Herrschaftsgebietes 1485.
Im Jahre 1482 kam es zur ersten ernsthaften Verstimmung zwischen Ernst und Albrecht, weil Ernst während seiner Romreise die Verwaltung des Landes nicht Albrecht, sondern Beamten übertrug, die es auch noch an der nötigen Ehrerbietung gegenüber Albrecht fehlen ließen. Als Folge der Spannung wurde die Trennung der gemeinsamen Hofhaltung in dem Sinne angedacht, daß Albrecht nach Torgau übersiedeln und ein Jahrgeld von 12.000 Gulden bekommen sollte. Die Verhandlungen darüber blieben jedoch ergebnislos und 1484 wurde festgelegt, daß Ernst für 10 Jahre allein regieren sollte. An eine Landesteilung war noch nicht gedacht wor-den. Den Entschluß dazu faßte der Kurfürst im folgenden Jahr, wohl beeinflußt durch den auf seinen Vorteil bedachten Obermarschall Hugo von Schleinitz. Der Kurfürst hatte als der ältere Bruder die Macht, die Teilung gegen den ausdrücklichen Widerstand Albrechts herbeizuführen. Vernünftige Gründe dafür waren nicht erkennbar, sie mußten in persönlichen Stimmungen und ungünstiger Beeinflussung liegen. Die Teilung war somit ein aus fürstlicher Willkür zu erklärendes und daher eher zufälliges Ereignis. Diese Entscheidung entbehrte jeden staatsmännischen Weitblick und wird als die größte Fehlleistung in der Geschichte des Hauses Wettin angesehen.
Trotz Albrechts mahnender Worte wurde die Teilung am 17. Juni 1485 in Leipzig beschlossen und am 11. November des gleichen Jahres nach langen Verhandlungen vollzogen. Ernst legte einen thüringischen sowie einen meißnischen Landesteil fest und der jüngere Bruder durfte laut sächsischem Recht seinen Teil wählen. Von der Teilung ausgeschlossen blieb das alte Herzogtum Sachsen um Wittenberg, das als Grundlage der Kurwürde auf jeden Fall dem Kurfürsten zustand. Gemeinsamer Besitz blieben das Bergbaugebiet Schneeberg, die schlesischen und niederlausitzischen Gebiete und das Hochstift Meißen.
Albrecht wählte zum großen Verdruß seines Bruders den meißnischen Landesteil und residierte ab sofort in Dresden allein. Ernst mußte mit dem von beiden Brüdern ungeliebten thü-ringischen Teil zufrieden sein. Seine Residenzstadt wurde Weimar.
Ab 1485 war Albrecht also selbständiger alleiniger Landesherr und befand sich doch die nächsten 15 Jahre bis zu seinem Tod fast ständig im Ausland. Die inneren Verhältnisse gestaltete Albrecht, indem er 1482, noch mit Ernst gemeinsam, eine Landesordnung erließ, die erstmals eine Art Polizeiaufsicht in vielen Fragen des öffentlichen Lebens festlegte, durch Einrichtung einer Zentralkasse die Finanzen zentralisierte und 1488 ein für das gesamte Land zuständiges Oberhofgericht in Leipzig einrichtete. Den aus dem Bergbau um Schneeberg erwachsenden Reichtum nutzte der Herzog für den Wiederaufbau der Kreuzkirche in Dresden, den Baubeginn des Freiberger Doms und den Bau der nach ihm benannten Albrechtsburg.
Eine späte Konsequenz aus der Leipziger Teilung stellte Albrechts Testament dar, das er am 18. Februar 1499 in Maastricht verfaßt hatte. In ihm legte er die Unteilbarkeit des albertinischen Sachsens und die Erbfolge des Erstgeborenen fest. Der zweite Sohn sollte anderweitig abgefunden werden. Vor diesem Hintergrund sind Albrechts Bemühungen um das weit entfernte Westfriesland dann auch etwas besser zu verstehen, da er hier eine Möglichkeit sah, seinen zweiten Sohn Heinrich gebietsmäßig abzufinden.
Nach 25 Jahren aktiven Eingreifens in mitteleuropäische Geschichte starb Albrecht am 12. September 1500 in Emden. Das Herz Albrechts wurde in Emden beigesetzt und der Leichnam nach Meißen überführt, wo er am 25. Januar 1501 im Meißner Dom seinen Platz fand.
Martin Seffner