Friedrich der Freidige
Pfalzgraf von Sachsen und Landgraf von Thüringen
1257 - 16. November 1323

Er selbst nannte sich im Jahre 1269 Friedrich III., König von Jerusalem und Sizilien, Herzog von Schwaben, Landgraf zu Thüringen und Pfalzgraf zu Sachsen. Ein Jahrhundert nach seinem Tod gab ihm die Legende den Beinamen der „Freidige", was soviel wie „der Tapfere" bedeutet, zuweilen nannte man ihn auch den „Gebissenen". In dem bewegten Leben Friedrichs, dessen Politik einen wichtigen Meilenstein in der Herrschaft des Hauses Wettin zwischen Thüringer Wald und Lausitz darstellte, spiegelten sich die zentralen Probleme der deutschen Politik des Hohen Mittelalters. Schon seine Beinamen verweisen auf die großen Konflikte der Zeit.

Im Jahre 1250 starb Kaiser Friedrich II. aus dem Hause der Staufer. Ihm war es gelungen, Italien und Sizilien unter einer Herrschaft mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zu vereinen. Nach der Hinrichtung seines Enkels Konradin 1268 in Neapel war die Macht der Staufer gebrochen, und ihren Anhängern in Italien, den Ghibellinen, fehlte ein Oberhaupt. In Deutschland wünschte man sich nach den Wirren beim Ende der Stauferherrschaft einen neuen mächtigen Kaiser wie Friedrich Barbarossa oder Friedrich II.

Durch seine Herkunft war für Friedrich den Freidigen dieser Wunsch von unmittelbarer Bedeutung, denn seine Mutter Margarete war eine Tochter des besagten Kaisers Friedrich II., sein Vater war der wettinische Landgraf von Thüringen, Albrecht der Entartete. Für einige Zeit schien es, als könnte Friedrich mit dem klangvollen Namen seines Vorfahren Barbarossa und seines Großvaters die Reihe mächtiger Herrscher aus der Stauferdynastie fortsetzen. Die Ghibellinen trugen ihm die Krone des süditalienischen Stauferreiches an. Die historische Forschung ist zu dem vielleicht überraschenden Ergebnis gekommen, daß die Kyffhäusersage vom Kaiser im Berg sich zuerst auf Friedrich den Freidigen, nicht auf seine berühmteren Verwandten Barbarossa und Friedrich II. bezog. In dieser Zeit großer Hoffnungen gab sich Friedrich der Freidige in einer Urkunde die oben genannten klangvollen Titel eines Königs von Jerusalem und Sizilien. Aber sein zweiter volkstümlicher Beiname, „der Gebissene", verweist schon auf das Fehlschlagen aller hochfliegenden Pläne.

Aufgrund der außerehelichen Eskapaden ihres Mannes Albrecht des Entarteten verließ Friedrichs Mutter die Wartburg. Der Sage nach soll sie ihre noch sehr kleinen Kinder beim überstürzten Abschied in die Wange gebissen haben, um sie als Erwachsene an den Narben wiedererkennen zu können. Die Sage trifft schon deshalb nicht ganz die Wahrheit, weil Friedrich zu diesem Zeitpunkt bereits dreizehn Jahre alt war. Die Trennung der Eltern, der Tod der staufischen Mutter 1270, die nicht allzu große Macht des Hauses Wettin und schließlich der Widerstand des Papstes ließen alle Pläne, Friedrich zum deutschen König zu machen, scheitern.

Seine weitere Politik war jedoch entscheidend für die Geschichte und das Zusammenwachsen des thüringisch-sächsischen Raumes. Nach dem Ende der Stauferherrschaft und den darauf folgenden Wirren verstärkte sich eine Entwicklung, die sich schon länger abgezeichnet hatte: Eine immer kleinere Zahl von Fürsten wählte den deutschen König, ohne die Erbrechte einer bestimmten Dynastie auf diese Würde zu berücksichtigen. Allmählich bildete sich das spätere Kurfürstenkollegium, das die deutsche politische Geschichte für Jahrhunderte bestimmen sollte. Die Wahlkönige waren in ihrer Macht abhängig vom Besitz ihres Hauses, den sie durch die sogenannte Hausmachtpolitik zu erweitern suchten. Vor diesem Hintergrund spielte sich Friedrichs politisches Handeln ab.

Besonders Thüringen und die Mark Meißen waren zu seiner Zeit heiß umkämpfte Gebiete. Die deutschen Wahlkönige wollten sie in ihre eigene Hausmacht eingliedern, der Erzbischof von Mainz wollte seinen Besitz um Erfurt ausdehnen, der König von Böhmen war interessiert und Friedrichs Familie der Wettiner teilte den thüringisch-sächsischen Raum nach Gutdünken unter sich auf. Im Verlauf vieler Erbstreitigkeiten führten die Wettiner untereinander Krieg, setzten sich gegenseitig gefangen und verwüsteten das Land. Nachdem sich Friedrichs Hoffnungen auf die Königskrone zerschlagen hatten, war ihm zunächst die Pfalzgrafschaft Sachsen geblieben (1281). Zum König wählte man statt seiner Rudolf von Habsburg (1273-1291). Im Jahre 1291 bot sich eine Chance für Friedrich, denn nach dem Tod seines Vetters wurde die Mark Meißen frei, und Friedrichs Familie wollte ihm die Markgrafschaft zukommen lassen. Die Zustimmung eines Königs bekam man nicht, denn auch König Rudolf von Habsburg starb 1291. Zu Rudolfs Nachfolger wurde Adolf von Nassau, ein Graf ohne größere Hausmacht, gewählt (1291-1298). Er versuchte 1294, im Sinne der Hausmachtpolitik Thüringen, 1295 die Mark Meißen an sich zu bringen. Friedrich wurde geschlagen, mußte in die Verbannung gehen und ein Statthalter Adolfs wurde eingesetzt. Einige Zeit später gelang es Friedrich jedoch, durch eine einträgliche Heirat seine Position in seiner Heimat zu stärken. Im Jahre 1300 heiratete er die fast dreißig Jahre jüngere Elisabeth aus dem Hause der Grafen von Lobdeburg-Arnshaugk, die beachtliche Gebiete in die Ehe einbrachte. Nach Adolfs Tod versuchte auch der neue König Albrecht (1298-1308), wieder ein Habsburger, die Mark Meißen in seine Hausmacht einzugliedern. 1307 wendete sich nach vielen Rückschlägen das Blatt dauerhaft zugunsten Friedrichs des Freidigen: In der Schlacht von Lucka konnte er in diesem Jahr einen großen Sieg gegen das königliche Heer erringen, das in Richtung der Mark Meißen vorrückte. Nach dem Tod seines Bruders Diezmann erbte er dessen Herrschaftsgebiete, und sein Gegner König Albrecht wurde 1308 ermordet. 1307 war es Friedrich gelungen, seinen Vater unter Druck zu setzen, so daß dieser ihm die Landgrafschaft Thüringen übertragen mußte. Um dieses Ereignis ranken sich die Sagen vom Taufritt nach Tenneberg und von der Landgrafenschlucht unter der Wartburg, wo Friedrich sich versteckt haben soll, um seinen Vater zu überrumpeln. Der wahre Kern der Sagen besteht darin, daß Friedrichs Vater nicht ganz freiwillig seine Macht weitergab.

Das Osterland um Leipzig, die Mark Meißen und Erfurt unterstellten sich nun Friedrichs Herrschaft, und 1310 erkannte endlich ein König, der Luxemburger Heinrich VII., Friedrichs Erbanspruch auf Thüringen und Meißen, später auch auf das Pleißenland um Altenburg an. Noch einmal setzte Friedrich seine Herrschaft im Konflikt mit Markgraf Waldemar von Brandenburg aufs Spiel, doch mit dem Frieden von Magdeburg 1317 war die wettinische Herrschaft in Thüringen und Sachsen gesichert. Es sind nicht nur die großen Ereignisse der politischen Geschichte, wie Konflikte mit dem Königtum, oder Gebietserwerbungen, auf denen sich die wettinische Landesherrschaft aufbaut, die Friedrich den Freidigen als historische Gestalt interessant machen. Die Umstände seines Todes etwa erlauben einen Einblick in mittelalterliche Frömmigkeit und Sorge um das Heil der Seele im Jenseits. 1321 erlitt Friedrich einen Schlaganfall, den die Quellen auf folgende Umstände zurückführen: Friedrich wohnte einem geistlichen Schauspiel bei, in dem das biblische Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen bearbeitet wurde. Das Stück vertrat eine damals neuartige Ansicht: Glaubte man üblicherweise an die beinahe automatische Vergebung von Sünden durch Reue, gute Werke und die Fürsprache der Heiligen sowie der Mutter Gottes, konnte im Stück trotz aller Bitten Maria keine Vergebung für die törichten Jungfrauen bei Gott erwirken. Gott schien in seinem Urteil unbeeinflußbar. Friedrich soll angesichts seines nicht gerade sündenfreien Lebens über Gottes Unerbittlichkeit derart bestürzt und aufgeregt gewesen sein, daß er einen Schlaganfall erlitt. Nach zweieinhalbjährigem Siechtum starb Friedrich der Freidige am 16. November 1323 auf der Wartburg.

Sebastian Schlawski